Wieso nachhaltiges Handeln zutiefst eine christliche Kernaufgabe ist, .....
....soll dieser Beitrag etwas näher beleuchten. Dabei kommen wir nicht umhin, einen vertieften Blick in das Leitwerk der Christenmenschen zu werfen. Die Bibel selbst spricht die Verantwortung gegenüber Gottes Schöpfung mit aller Klarheit an. Aber die Heilige Schrift verwendet nicht die Sprache, die wir im modernen Umweltdiskurs verwenden. Was die Verantwortung gegenüber der Schöpfung und die Geschöpfe betrifft, ist die christliche Tradition ist nicht frei von Irritationen und fehlleitenden Interpretationen.
„Gemeinhin widmet sich die Theologie den Beziehungen des Menschen zu sich selbst, zu Gott und zum Nächsten. Hier wird die Trias um die Beziehung zur Schöpfung ergänzt“, schreibt Christiane Florin in ihrem Vorwort zur zweiten Enzyklika des – wie er sich selbst nennt – Bischofs von Rom.[1] Dabei war Papst Franziskus keineswegs der erste Kirchenvertreter, der für die Heilige Schrift eine „grüne“ Lesart entwickelte. Obwohl ihre Texte lang vor einer ökologischen Krise verfasst wurden, ist die Bibel dennoch voller Aufträge an den Menschen, Verantwortung für die göttliche Schöpfung zu übernehmen.
Schöpfungserzählungen: Grund für ökologisches Versagen?
Es wäre wohl vermessen zu behaupten, dass die Auslegungen im Kontext der Schöpfungsverantwortungen keinen Verirrungen der lateinischen Westkirche zum Opfer fielen. Besonders hart ins Gericht ging damit der Lynn White als Erkenntnis seiner Mittelalterforschung als er feststellte, dass die biblischen Schöpfungserzählungen so verstanden wurden, dass „alles Geschaffene allein zum Nutzen und für das Wohlergehen des Menschen da sei, weil er allein Gottes Ebenbild sei.“[2] Die Debatte darüber hat in den letzten Jahren mit dem immer spürbar stärker werdenden Engagement der Kirche auf dem Gebiet des Umweltschutzes an Fahrt aufgenommen und mündet zuweilen in eine bemerkenswerte Selbstkritik kirchlicher Vertreter.
Selbstkritik als Wendepunkt
So konstatiert die Abschlusserklärung der ersten Europäischen Ökumenischen Versammlung (Basel,1989) versagt zu haben, weil „wir (die Kirche) nicht Zeugnis abgelegt haben von Gottes sorgender Liebe für all und jedes Geschöpf und weil wir keinen Lebensstil entwickelt haben, der unserem Selbstverständnis als Teil von Gottes Schöpfung entspricht.“[3] Und weiter: „Wir haben versagt, weil wir nicht entschieden genug die politischen und wirtschaftlichen Systeme in Frage gestellt haben, […] die die natürlichen Ressourcen der Welt nur zum eigenen Nutzen ausbeuten und Armut und Marginalisierung verewigen. Christliche Verantwortung für die Schöpfung wurde und wird in westlich geprägten Kirchen durchaus kontrovers diskutiert. Die Erklärungen des konziliaren Prozesses, die in Folge gewonnenen Erkenntnisse und die deklarierten zehn Grundüberzeugungen (Seoul 1990) flossen schließlich in das Grundsatzdokument der Charta Oecumenica (unterzeichnet 2001, Straßburg) ein.
Die sozialökologische Kehrtwende
Eine der zwölf Selbstverpflichtungen widmet sich der Schöpfung in dem sie die Absicht festmacht: „Gemeinsam wollte man sich für nachhaltige Lebensbedingungen für die ganze Schöpfung einsetzen, weil mit Schrecken wahrgenommen wurde, dass die Güter der Erde ohne Rücksicht auf zukünftige Generationen ausgebeutet wurden. Sie sprachen die Selbstverpflichtung aus, einen nachhaltigen Lebensstil weiterzuentwickeln und kirchliche Umweltorganisationen bei ihrer Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung zu unterstützen. Die Charta Oecumenica hat keinen lehramtlich-dogmatischen oder kirchenrechtlich-gesetzlichen Charakter und damit eine überschaubare Bindungswirkung. Mit der Veröffentlichung der sogenannten Umweltenzyklika hat Papst Franziskus hingegen einen Rundbrief mit päpstlicher Lehrautorität in Umlauf gebracht, welcher 2015 die Faden des konziliaren Prozesses wieder aufgreift und dem das Potenzial eines enormen Impulses für die ökologische Bewegung in der Kirche zugeschrieben wird. Damit wurde die Frage rund um die Schöpfungsverantwortung von Christinnen und Christen im Lichte einer ganzheitlichen Ökologie systematisch aufgearbeitet.
Ownership als biblisches Urgesetz?
Papst Franziskus verweist in seinem Aufruf den Planeten zu schützen, auf den Umstand, dass wir selber Erde sind (vgl. Gen 2,7), dass unser eigener Körper aus denselben Substanzen besteht, wie der Planet Erde selbst. Die Schöpfungserzählung (Gen. 2,15) wird noch konkreter, wenn sie sagt: Gott […] nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte.[4] Daraus lässt sich unmissverständlich ein Gebot an den Menschen ableiten: Die Erde zu hüten ist nicht irgendein Auftrag, sondern ein fundamentaler „Ur-Auftrag“ der Heiligen Schrift an alle Christen. Und dennoch führt dieser Bewahrungsauftrag nicht nur bloß ein Schattendasein in der christlichen Ethik, er wird zuweilen unbewusst ignoriert, seltener auch bewusst abgelehnt.
Da gibt es ja was, was wir schützen sollen. Oder?
Heute steht dem Bewahrungsgebot eine noch nie dagewesene Notwendigkeit und Dringlichkeit des Umweltschutzes gegenüber. Auch überzeugte Befürworter des industriellen und wirtschaftlichen Fortschritts erkennen zunehmend, dass sich die Erde und ihre Bewohner in einer tiefen Krise befinden. Bemerkenswerterweise geht eine gewisse Skepsis gegenüber dem Bewahrungsauftrag gerade von einigen christlich orientierten Strömungen aus. Der Mensch sei die Krönung der Schöpfung und neben Gott selbst, solle ihm Achtung und Schutz entgegengebracht werden, hört man aus manchen Kreisen, die sich gerne auf den vielfach zitierten und aus dem Gesamtkontext gerissenen Herrschaftsauftrag (Gen 1) beziehen. Eine gesamtumfassende Lesart des Schöpfungsmythos hat jedenfalls die gesamte Erzählung (Gen 1 – 9) zu umfassen und erwirkt eine ethische Weichenstellung, wenn Gott den Bund zwischen ihm, dem Menschen und allen lebendigen Wesen schließt.[5]
Wie jetzt? Bewahren oder Herrschen?
Eine vertiefte Betrachtung des Herrschaftsauftrags muss sich zudem mit den im hebräischen Urtext verwendeten Begriffen auseinandersetzen. Insbesondere in fälschliche Verwendung der beiden Verben radah und kabasch ist eine entscheidende Wurzel der Fehlinterpretation des Herrschaftsauftrages zu finden.[6] Fügt man dieser Betrachtung noch die Gottebenbildlichkeit und „Erdverbundenheit“ (Adam = Erdling) hinzu, lässt sich konsequenterweise eine menschliche Berufung zur Verantwortung, oder anders formuliert ein „Gärntnerauftrag“ (pflegen und hüten) ableiten.
Jesus Christus: Role Model für gottgefällige Herrschaft
Selbst wenn die biblische Argumentation immer noch zu abstrakt wirkt, jede pervertierte Form des Herrschaftsanspruchs lässt letztlich die ethische Frage unbeantwortet, wie die Existenz der Schöpfungskrönung (=Mensch) geschützt und seine Würde gewahrt bleiben kann, wenn der Menschheit durch Ausbeutung und Vernichtung system- und lebenswichtiger Ressourcen am Ende des Tages die Lebensgrundlage entzogen wird. Eine unkritische Lesart des Herrschaftsauftrags klärt auch nicht, welche Verantwortung das menschliche Geschlecht gegenüber anderen göttlichen Schöpfungen wahrzunehmen hat, wo doch Gen 1,26 eine Charakterisierung des Menschen als Stellvertreter und Repräsentant Gottes auf Erden erlaubt.[7] Gottesebenbildlichkeit meint nach Walter Gross[8] „die „tätige Verantwortung des königlichen Menschen als des Sachwalters Gottes für die gesamte Schöpfungswelt in der Kraft des göttlichen Segens.“ Jesus selbst ist das ultimative Role Model für ein Herrschaftsverständnis im heutigen Kontext. Er selbst lebte die Kriterien für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung so eindrucksvoll vor, dass die Faszination seines Wirkens auch noch zweitausend Jahre danach mitten in unsere Zeit hineinstrahlt.
Ökologische Tugenden
Katholiken bekennen Ihren Glauben an einen Gott als den Schöpfer des Himmels und der Erde. Vom Auftrag, als Vertreterinnen und Vertreter Gottes über die Schöpfung und ihre Geschöpfe zu „herrschen“, lässt sich demnach eine immens hohe Verantwortung ableiten. Gott überantwortet die Pflege und die Bewahrung der Schöpfung seinen Stellvertretern auf Erden, dem Menschen. Die Ausbeutung von natürlichen Ressourcen, die gewaltsame Vernichtung von natürlichem Lebensraum und der Artenvielfalt und ein Vermüllen dieses Planeten stehen im krassen Widerspruch zu dem, was Gott dem Menschen aufgetragen hat. Die Entwicklung der letzten zwei Jahrhunderte ist eine Bewegung, die wegführt von einer Menschheit in Verantwortung vor dem Schöpfer und unter seinem Segen, hin zu einer Menschheit als bedrohlicher Risikofaktor für all das von Gott Geschaffene (das menschliche Geschlecht miteinbezogen). Eine Bewegung, von der Papst Franziskus sagt, dass es aller Talente und des Engagements aller bedarf, um den durch den menschlichen Missbrauch der Schöpfung Gottes angerichteten Schaden wieder gutzumachen. (LS 14)
Eins-Sein mit dem Schöpfer und der Schöpfung
Christen oder Nichtchristen: dem Aufruf von Papst Franziskus können alle folgen, die eine gewisse Verbundenheit mit diesem wunderbaren Planeten in sich spüren. Ein nachhaltiges Leben heißt, die vier Kardinalstugenden wahrhaftig zu leben. Die Klugheit, um das zu bewahren, was uns gegeben wurde; die Gerechtigkeit als universeller Maßstab menschlichen Verhaltens, der allen Geschöpfen gleichermaßen zu Gute kommt; die Tapferkeit, um Veränderung mutig anzustoßen, auch wenn es Ablehnung oder Widerstand gibt und schließlich die Mäßigung als die Erkenntnis, dass Verzicht lustbetont sein kann und uns zu einer neuen Form der Fülle führt. Im Kontext der christlichen Verantwortung für die Schöpfung fügen wir diesen primären Tugenden noch den Glauben an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, die Hoffnung als gelebte Zuversicht, die Dinge im Sinne der frohen Botschaft zum Guten wenden zu können und die Liebe zum Schöpfer und zu seinen Geschöpfen hinzu.
Die Leere führt uns zur Fülle
Jesus, der junge Mann aus Nazareth lebte es uns vor. Ein Leben entlang dieser Tugenden führt nicht wie häufig befürchtet zu einer qualvollen Leere, sondern zu einer neuen Fülle und zu einem inneren Frieden. Es führt nicht zurück in die Steinzeit, sondern lässt uns Aufschwingen in eine höhere Stufe des Bewusstseins. Es führt nicht zu einer Entmachtung des Menschen im Sinne der menschlichen Herrschaft über die Schöpfung, sondern zu einem Leben im Einklang und in Frieden mit ihr.
Die Welt zu verändern ist ganz leicht
Der innere Frieden, zu dem uns ein tugendhaftes Leben in tiefer Verbundenheit mit dem göttlichen Geheimnis führt, führt uns auch zu einer Harmonie mit unserer Umwelt. Um mit Papst Franziskus zu sprechen: „Der innere Friede der Menschen hat viel zu tun mit der Pflege der Ökologie und mit dem Gemeinwohl, denn wenn er authentisch gelebt wird, spiegelt er sich in einem ausgeglichenen Lebensstil wider […].“[9] Jeder von uns kann einen noch so kleinen aber wichtigen Beitrag leisten, um unseren Kindern und Enkelkindern eine Welt zu hinterlassen, die zumindest nicht schlechter ist als jene, die uns zuteilwurde. Auch ein Weg in eine lebenswerte Zukunft beginnt mit dem ersten Schritt. Nimm Dir viel vor. Aber nimm Dir nicht zu viel vor! Ändere deine Gewohnheiten zunächst dort, wo es dir leichtfällt. Dieser Appell tut trotz aller Dringlichkeit wohl.
Quellen:
[1] Papst Franziskus: Laudato si. Über die Sorge für das gemeinsame Haus. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart, 2015. [2] Rosenberger Michael: Eingebunden in den Beutel des Lebens. Christliche Schöpfungsethik. Aschendorf Verlag. Münster. 2021. S. 58 f [3] Europäische Ökumenische Versammlung: In: Rosenberger Michael: Eingebunden in den Beutel des Lebens. Christliche Schöpfungsethik. Aschendorf Verlag. Münster. 2021. S. 59 [4] Papst Franziskus: Laudato si. Über die Sorge für das gemeinsame Haus. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart, 2015, S. 68. [5] Vgl. Rosenberger Michael: Eingebunden in den Beutel des Lebens. Christliche Schöpfungsethik. Aschendorf Verlag. Münster. 2021. S. 64 ff [6] Vgl. Vogt, Markus: Christliche Umweltethik. Grundlage und zentrale Herausforderungen. S. 192, 2021 [7] Vgl. Vogt, Markus: Christliche Umweltethik. Grundlage und zentrale Herausforderungen. S. 194, 2021 [8] Gross Walter: Gottebenbildlichkeit. I. Altes Testament. In: Lexikon für Theologie und Kirche 4. S. 871 – 873. [9] Ebenda, S. 184.
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